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Vera am Mittag


Erfahrungsbericht


Unsere erste und vorläufig wohl auch einzige Zusammenarbeit mit den deutschen Privatsendern hat uns einige interessante Erfahrungen eingebracht, die ein deutliches Licht auf die Arbeitsweise von Privatsendern werfen.

Die äußerst kurzfristige Einladung zu der Talkshow "Vera am Mittag" (Erstanruf: Dienstag, Aufzeichnung: Donnerstag!) nahmen wir nur an, weil terre des hommes durch eine ehemalige Mitarbeiterin des Adoptionsreferates ebenfalls vertreten sein würde. Das Thema lautete ganz lapidar "Adoption" und wir sollten die Betroffenen-Seite vertreten. Aufgrund der Kurzfristigkeit und der schlechten Reputation der Sendung zögerten wir zwar, da man aber schlecht über etwas urteilen kann, was man noch nicht ausprobiert hat, gingen wir das Wagnis ein und erklärten das Unterfangen zum "Pilotprojekt Privatfernsehen".

Der zuständige Redakteur O. W. (sprich: ohweh!) zeigte sich hocherfreut und gestand, dass die bisherigen zweiwöchigen Recherchen sehr mühsam gewesen seien. Es sei schier unmöglich, jemanden zu diesem Thema ins Fernsehen zu holen. Das machte mich stutzig, denn von derartigen Schwierigkeiten war mir bislang noch nie etwas zu Ohren gekommen.

Ich schilderte ihm von Anfang an unsere Bedenken und stellte klar, dass der Sprecher und ich nur widerwillig in die Sendung kämen, lediglich zu dem Zwecke, unsere Arbeitsgruppe zu vertreten und um die Seite der Auslandsadoptierten zu repräsentieren. Leider war es O. W. absolut nicht möglich, nähere Auskünfte über Zweck, Aussage und Verlauf der Sendung zu geben. Er sicherte uns ein ausführliches Telefax zu, das aber nie kommen sollte. Auch die Namen der anderen geladenen Gäste wurden uns bis zuletzt verweigert.

Aus Kostenspargründen wich der Sender dann auch anstatt der vereinbarten Flüge auf Bahntickets aus und mutete uns damit eine über siebenstündige Anreise zu. Wenigstens konnte ich aushandeln, dass wir einen früheren Zug nehmen und vor der Aufzeichnung wenigstens einen Kurzaufenthalt im Hotel bekommen konnten. Diese Vereinbarung war aber insofern hinfällig, als der Sender-eigene Fahrer sich erst wieder an die Weisung erinnerte, uns ins Hotel zu bringen, als er vor den Studios stand und die Zeit zu kurz war, um noch zurückzufahren.

Auf uns warteten über drei Stunden Wartezeit in Miniräumen, die eher Gefängniszellen ähnelten. Seltsamerweise waren die Gäste im ganzen Haus verteilt untergebracht, so dass wir uns alle wirklich erst kurz vor dem Auftritt zu Gesicht bekamen. Eine Taktik, die dem Sender wohl das (nicht vorhandene) Konzept rettete, denn wie sich im Nachhinein herausstellte, teilten alle Gäste die gleichen Bedenken, schwebten gleichermaßen in der Luft und waren nur gekommen, um ihr Anliegen ans Volk zu bringen.

An jenem Tag wurden vier Sendungen aufgezeichnet, so dass wir als vierte und letzte Aufzeichnung des Tages ein durch und durch gestresstes und teilweise absolut unfreundliches Team vorfanden. Die Betreuung war eine reine Katastrophe und schneidet im Vergleich zu anderen Sendern/Sendungen wirklich jämmerlich ab.

Während des Soundchecks hielt man uns eilig Formulare unter die Nase, die zu unterschreiben waren. Auf meine berechtigte Frage, was wir da unterzeichnen, bekam ich eine recht vage Antwort. Misstrauisch geworden holte ich mir meinen Bogen zurück und überflog ihn. Und siehe da, ich bekannte per Unterschrift, dass ich im zurückliegenden halben Jahr in keiner anderen Talkshow aufgetreten sei, andernfalls drohte mir eine Vertragsstrafe in fünfstelliger Höhe. Wie nett, das zu erfahren, denn rein rechnerisch wurde es bei mir knapp (letzte Ausstrahlung im August 2000). Als ich die Vorgehensweise beanstandete, bekam ich die schnippische Antwort, das sei Sache des Redakteurs, das mit den Gästen abzuklären. Ich sage nur: OhWeh!

Da wir bereits als zweite Gäste unseren Auftritt hatten (warum ist nur dieser bescheuerte Auftritt über Studiotreppen bei den Talkshows so beliebt?) warteten wir von Anfang an hinter der Bühne. Regelrecht schlecht werden konnte einem da bei der unüberhörbaren Animation und "Auflockerung" des Publikums. Eine Ischias-geplagte Vera erschien verspätet und los ging es.

Ich hatte im Vorfeld eindeutig klargemacht, dass wir nicht so sehr als Privatpersonen als vielmehr als Vertreter unserer Arbeitsgruppe Adoptierte auftreten möchten. Dies schien jedoch nicht weiter als zu O.W.s Ohr gedrungen zu sein. Anders kann man sich die teilweise unpassenden Fragen nicht erklären, die in unseren Augen absolut keine Relevanz zum Thema zeigten. Es gab keinerlei Chance, unsere Arbeitsgruppe vorzustellen oder von unserer Arbeit fundiert zu berichten. Stattdessen Fragen, die wir uns im Vorfeld aus persönlichen Gründen verbeten hatten oder deren Formulierung eine präzise Antwort unmöglich machte.

Doch damit nicht genug: Wie wir erfahren haben, wurden Gäste im Vorfeld aufgefordert, Aussagen der anderen zu widersprechen, "Stimmung zu machen" bzw. Fragen, die wir als unerwünscht abgeklärt hatten, direkt an uns zu stellen, um unsere Abmachungen mit der Moderatorin zu umgehen. Die eigens eingeladene Expertin wurde ins Publikum gesetzt mit der Zusage, sie würde von Vera angesprochen. Sie kam kein einziges Mal zu Wort.

Bei der Verabschiedung tauchten auf einmal jede Menge Personen auf, die alle eingeladen worden waren, insgesamt 15 (!!!) Personen, von denen aber nur sieben zu Wort kamen. Da wird einem schon klar, warum keine Flugtickets bezahlt werden - aus Kostengründen.

Teilweise wurden die eingeladenen Gäste unter völlig falschen Versprechungen hinzugeholt. Zwei von ihnen bekamen keine Chance, ihre Suche nach leiblichen Verwandten durchzugeben - dem eigentlichen Zweck ihrer Anreise. Andere saßen im Publikum und warteten ebenso wie die Expertin darauf, angesprochen zu werden. Auch sie waren umsonst gekommen.

Niemand teilte uns mit, wann wir am nächsten Morgen wieder abgeholt werden würden. Die Folge: Im Zusammenspiel mit dem Schneechaos am Freitag haben wir natürlich unseren Zug verpasst.

Aus den Gesprächen im Anschluss an die Aufzeichnung kann ich durchaus behaupten, dass die Unzufriedenheit allgemeiner Natur war. Ich weiß nicht, ob dem Redakteur überhaupt bewusst war, dass nahezu alle Gäste eigentlich abgeschreckt waren von dem Sender und der Talkshow, aus persönlichen Motiven aber einer Teilnahme zusagten, weil
sie sehr große Hoffnungen in diese Sendung gesetzt hatten. Sie wurden allesamt enttäuscht.
Schade, dass es wieder einmal wirklich nur um Privatsender-Konzepte (falls überhaupt vorhanden) und Quoten ging; in keinster Weise aber um die Interessen und Anliegen der Gäste.

Für unsere Arbeitsgruppe war die Teilnahme ein Pilotprojekt, nachdem wir schon etlichen Sendungen dieses Formates Absagen erteilt hatten. Dieses Projekt ist in unseren Augen gescheitert, und damit sind solche Veranstaltungen für uns nicht nur fragwürdig geworden, sondern wir werden auch jederzeit davon abraten, mit solchen Shows zusammenzuarbeiten. Ebenso bin ich froh, keinen meiner persönlichen Kontakte dazu mobilisiert zu haben, bei dieser Sendung mitzuwirken. Einzig die neu geknüpften Kontakte aus dem Adoptionsbereich waren eine Bereicherung.

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